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Der gelbe Riese streicht Stellen – und das in großem Stil. 8000 Jobs sollen bei DHL im Jahr 2025 in Deutschland wegfallen. Das ist keine Randnotiz, sondern eine der größten Stellenstreichungen, die die Logistikbranche in den vergangenen Jahren gesehen hat. Ein Unternehmen, das Milliarden verdient, gönnt sich eine üppige Dividende – und streicht gleichzeitig Tausende Arbeitsplätze. Was steckt dahinter? Ein tieferer Blick in den Fall DHL offenbart eine toxische Mischung aus Managementversagen, Gier und strukturellen Problemen.
Von Rekordgewinnen zu Massenentlassungen – wie passt das zusammen?
DHL – oder wie es offiziell seit 2023 heißt, DHL Group – hat im vergangenen Jahr satte 84,2 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Das Betriebsergebnis (Ebit) lag bei rund 5,9 Milliarden Euro, etwas mehr als erwartet. Analysten waren durchaus zufrieden, die Aktie legte um stolze zwölf Prozent zu. Und trotzdem: 8000 Menschen in Deutschland werden ihren Arbeitsplatz verlieren.
Vorstandschef Tobias Meyer, seit 2023 im Amt, hat einen klaren Plan: Kosten runter, Gewinne rauf. Mehr als eine Milliarde Euro will er einsparen, die volle Wirkung seines Programms „Fit for Growth“ soll 2027 spürbar werden. Fit für wen? Für Aktionäre offenbar, weniger für die Beschäftigten.
Dividende und Aktienrückkauf: Geld für die Börse, Sparprogramm für die Belegschaft
Die geplante Dividende bleibt stabil bei 1,85 Euro pro Aktie – eine Beruhigungspille für die Investoren. Parallel dazu stockt DHL sein Aktienrückkaufprogramm um satte zwei Milliarden Euro auf. Bis 2026 sollen so bis zu sechs Milliarden Euro an die Anteilseigner zurückfließen. Das passt ins Bild: Während die Mitarbeiter um ihre Jobs bangen, fließen Milliarden an die Börse.
Hier zeigt sich eine Logik, die man inzwischen aus vielen börsennotierten Konzernen kennt: Das Wohl der Beschäftigten steht ganz unten auf der Prioritätenliste. Hauptsache, die kurzfristigen Kennzahlen stimmen – koste es, was es wolle.
Analysten jubeln – auf Kosten der Beschäftigten
JP Morgan und andere Investmentbanken loben den Sparkurs. Das sei „positiv“, weil es die Ebit-Marge verbessere, schreiben die Analysten. Übersetzt heißt das: Weniger Personal, mehr Profit pro Paket. Dass hinter diesen 8000 Stellen Menschen stehen – Familien, die auf ein stabiles Einkommen angewiesen sind – spielt in der Welt der Analysten keine Rolle.
DHL ist kein Einzelfall. Auch US-Riese UPS und der Schweizer Konkurrent Kühne+Nagel kämpfen mit sinkenden Margen und schwächelnder Konjunktur. Der globale Warenverkehr lahmt, die Weltwirtschaft steckt in einer Dauerkrise. Und die Unternehmen? Sie reagieren fast reflexartig mit Personalabbau. | |
DHL im Würgegriff von Amazon und Temu
Die Konkurrenzsituation in der Logistikbranche verschärft die Lage zusätzlich. In Deutschland ist DHL Marktführer im Paketgeschäft – noch. Doch Amazon schickt sich an, dem Konzern diesen Titel streitig zu machen. Der Online-Gigant wickelt längst einen großen Teil seiner Lieferungen selbst ab und baut sein Logistiknetzwerk mit Hochdruck aus. Schon jetzt hat Amazon hierzulande einen Marktanteil von etwa 25 Prozent – Tendenz steigend. DHL hält noch 40 Prozent, doch die Luft wird dünner.
Auch die Flut billiger Waren aus China – Stichwort Temu und Shein – sorgt für zusätzliche Belastung. Die Pakete sind klein, die Margen minimal, der Aufwand hoch. Das klassische Briefgeschäft schrumpft ohnehin seit Jahren, Werbesendungen werden seltener, die Zeiten der „Einkauf aktuell“-Flut in deutschen Briefkästen sind endgültig vorbei.
Tarifrunden – der Albtraum der Konzernlenker
Ein weiteres Sorgenkind aus Sicht des Managements: die Personalkosten. Im hart umkämpften Paketgeschäft, wo jede Minute zählt, schlagen Lohnerhöhungen direkt auf die Marge durch. Im vergangenen Jahr stiegen die Gehälter bei DHL laut Tarifvertrag um satte 11,5 Prozent. Für 2025 sind weitere Erhöhungen vereinbart: Zwei Prozent ab April, drei Prozent im Jahr darauf, plus zusätzliche Urlaubstage.
Für die Mitarbeiter, die täglich Millionen von Paketen bewegen, sind diese Steigerungen dringend nötig – angesichts von Inflation, steigenden Mieten und immer teureren Lebenshaltungskosten. Doch für die Konzernspitze sind sie ein willkommener Vorwand, um den Rotstift anzusetzen.
Struktureller Wandel oder schlicht Sparwut?
Offiziell spricht DHL-Chef Tobias Meyer von einem „strukturellen Wandel“, der den Stellenabbau notwendig mache. Die Digitalisierung, der Rückgang im Briefgeschäft, der Wandel in der Paketlogistik – all das ist zweifellos real. Doch dass ein hochprofitabler Konzern wie DHL ausgerechnet in Deutschland – seinem Heimatmarkt – derart radikal kürzt, wirft Fragen auf.
Ist der „Strukturwandel“ wirklich der Kern des Problems? Oder dient er nur als Feigenblatt für eine aggressive Renditejagd? Wenn 8000 Menschen ihre Jobs verlieren, während parallel Milliarden in Aktienrückkäufe und Dividenden fließen, ist die Antwort ziemlich klar.
Standorte in Gefahr – DHL wird dünner und unpersönlicher
Stellenabbau bedeutet selten nur, dass weniger Menschen Pakete sortieren oder ausliefern. Meist geht es mit Standortschließungen einher – Filialen werden zusammengelegt, regionale Depots verschwinden, die Wege für Pakete werden länger. Für die Kunden heißt das: längere Lieferzeiten, weniger Service, mehr Automatismus. Menschlicher Kontakt? Fehlanzeige.
Verdi unter Druck – wie kämpferisch wird die Gewerkschaft?
Die Gewerkschaft Verdi hat die Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre als Erfolg verkauft – aus Sicht der Beschäftigten zurecht. Doch jetzt steht Verdi vor einer neuen Herausforderung: Wie kämpft man gegen einen Konzern, der Stellen streicht, während die Gewinne sprudeln? Wird Verdi die Konfrontation suchen oder auf einen faulen Kompromiss hinarbeiten? Eines ist sicher: Der Arbeitskampf bei DHL dürfte noch lange nicht vorbei sein.
Die große Frage: Wer zahlt den Preis für den Profit?
Die DHL-Story ist letztlich ein Lehrstück über die Logik des globalen Kapitalismus. Die Mitarbeiter schuften, die Kunden erwarten perfekte Lieferung am nächsten Tag, das Management kassiert Boni – und wenn die Margen schrumpfen, werden die Schwächsten geopfert. 8000 Jobs weniger, während die Aktionäre Milliarden erhalten. Das ist die bittere Realität bei Deutschlands größtem Logistiker.
Die DHL-Formel: Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren
Die Bundesnetzagentur hat zum Jahreswechsel eine Portoerhöhung genehmigt. Ein Standardbrief kostet nun 95 Cent statt 85 Cent. Mehrkosten für die Bürger, während der Konzern gleichzeitig Stellen streicht. Gewinne werden privatisiert, die Kosten – in Form von Arbeitslosigkeit und schlechterem Service – trägt die Allgemeinheit. Willkommen in der schönen neuen Logistikwelt.
Fazit: Ein Konzern spart sich kaputt – auf Kosten von Menschen und Service
DHL-Chef Tobias Meyer wird seinen Sparkurs als notwendige Maßnahme verkaufen. Die Analysten werden applaudieren, die Aktionäre jubeln. Doch die Zeche zahlen die Beschäftigten, die Kunden – und am Ende auch die Gesellschaft. Denn ein Logistikkonzern, der sich selbst auf Verschleiß fährt, wird auf Dauer weder profitabel noch leistungsfähig bleiben. Vielleicht sollte DHL sein Programm umbenennen: Von „Fit for Growth“ zu „Fit for Shareholders“ – das wäre ehrlicher.
Quellen:
Handelsblatt