Diäten

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Seit 1906 erhalten deutsche Parlamentarier Diäten, ursprünglich gedacht als Ausgleich für Verdienstausfälle ehrenamtlicher Abgeordneter. Doch was einst eine bescheidene Entschädigung war, ist heute ein üppiges Einkommen. Zum 1. Juli 2025 steigen die Diäten der Bundestagsabgeordneten auf 11.833,47 Euro monatlich – ein Plus von 5,4 Prozent, also 606 Euro mehr pro Monat. Das ist die zweithöchste Erhöhung seit Jahrzehnten, nur ein Jahr nach dem Rekord von sechs Prozent im Juli 2024. Warum kassieren Politiker immer mehr, während viele Bürger unter steigenden Lebenshaltungskosten ächzen? Und wer entscheidet darüber? Die Antwort ist so zynisch wie provokant: Die Abgeordneten entscheiden selbst, und ein Automatismus macht es ihnen allzu leicht.

Ein Automatismus ohne Rücksicht auf die Bürger

Seit 2014 sind die Diäten an den Nominallohnindex des Statistischen Bundesamtes gekoppelt, eine Regelung, die auf Empfehlung einer Expertenkommission unter Ex-Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) eingeführt wurde. Ziel war es, öffentliche Debatten über „Selbstbedienung“ zu vermeiden. Doch dieser Automatismus entzieht die Erhöhung jeder öffentlichen Kontrolle. Am 5. Juni 2025 stimmte der Bundestag – mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grünen – für die Fortsetzung dieser Regelung, während Linke und AfD dagegen votierten. Ohne Diskussion, ohne Rechtfertigung klettert das Gehalt der 736 Abgeordneten auf knapp 142.000 Euro jährlich – plus einer steuerfreien Kostenpauschale von 5.349,58 Euro, kostenlosen Bahnfahrten und erstatteten Inlandsflügen.

Der Bund der Steuerzahler kritisiert diesen „Selbstbedienungsladen“ scharf und fordert eine Rückkehr zu transparenten Entscheidungen. Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek nennt die Erhöhung „skandalös“ und verweist auf die Diskrepanz zu den Kürzungen beim Bürgergeld. Janine Wissler ergänzt: „Der Bundestag blockiert einen Mindestlohn von 15 Euro, aber genehmigt sich selbst 606 Euro mehr im Monat.“ AfD-Vertreter Stephan Brandner spricht von einem „schäbigen“ Vorgehen, das an der Lebensrealität der Bürger vorbeigehe.

Grundgesetz oder Freibrief?

Befürworter berufen sich auf Artikel 48 Absatz 3 des Grundgesetzes, der eine „angemessene, die Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“ vorschreibt. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte 1975, dass Abgeordnete selbst über ihre Bezüge entscheiden müssen – aber „vor den Augen der Öffentlichkeit“. Doch genau diese Öffentlichkeit wird ausgebootet. Die Diäten orientieren sich an den Bezügen von Bundesrichtern, was sie angeblich objektiv macht. Doch während das mittlere Bruttoeinkommen der Deutschen bei etwa 4.300 Euro liegt, kassieren Abgeordnete fast das Dreifache – und das ohne die Zusatzleistungen.

Ein fatales Signal in Krisenzeiten

Die Erhöhung 2025 fällt in eine Zeit, in der zwei Millionen Menschen in Deutschland auf Tafeln angewiesen sind und die Reallöhne vieler Arbeitnehmer trotz Nominallohnsteigerungen von 5,4 Prozent durch die Inflation geschmälert werden. Die Linke betont, dass selbst ein fünfjähriges Kind mit 357 Euro Bürgergeld auskommen muss, während Abgeordnete fast 12.000 Euro kassieren. Maurice Höfgen, Ökonom und Publizist, nennt die Erhöhung „blanken Hohn“, besonders da sie auch die Pensionsansprüche der Abgeordneten auf über 1.100 Euro nach nur einer Legislaturperiode steigert.

Ein Ruf nach Gerechtigkeit

Die Kritik am Automatismus ist laut. Der Bund der Steuerzahler fordert, Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzubinden, wie es für normale Bürger gilt. Die Linke diskutiert freiwillige Gehaltsverzichte, und einzelne Abgeordnete wie Luke Hoß wollen ihre Bezüge auf 2.500 Euro begrenzen, um näher an der Lebensrealität der Bürger zu bleiben. Doch die Mehrheit bleibt ungerührt. CDU-Abgeordneter Hendrik Hoppenstedt verteidigt die Regelung als „fair und nachvollziehbar“.

Die Diäten-Erhöhung 2025 ist mehr als eine finanzielle Entscheidung – sie ist ein Symbol für die Kluft zwischen Politik und Volk. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialer Ungleichheit wirkt sie wie ein Schlag ins Gesicht der Bürger. Es ist Zeit, den Automatismus abzuschaffen und Transparenz zurückzubringen. Wer für das Volk regiert, sollte nicht über ihm stehen.

Quellen:
MDR
Bundestag
Statista

JTB

Von JTB

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