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Am 9. April 2025 war es so weit: Nach zähen Verhandlungen präsentierten CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag. „Verantwortung für Deutschland“, lautet der Titel des 144-seitigen Dokuments, das Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil und Saskia Esken im Berliner Paul-Löbe-Haus der Öffentlichkeit vorstellten. Ein „starkes Signal“ an die Bürger und Europa, so Merz. Doch was steht wirklich drin? Ist das der große Wurf, den Deutschland braucht, oder nur ein bürokratischer Wälzer voller vager „Eventuells“? Spoiler: Der Großteil des Vertrags steht unter Finanzierungsvorbehalt – was die ambitionierten Versprechen zu einem großen Fragezeichen macht.

Ein Land in der Krise, eine Koalition unter Druck

Deutschland steht 2025 an einem Scheideweg. Die Wirtschaft lahmt, die Energiepreise drücken, der Fachkräftemangel wird zum Dauerbrenner. Dazu kommen gesellschaftliche Spannungen: Migration, Klimawandel, soziale Ungleichheit – die Liste der Baustellen ist lang. Nach dem Zerfall der Ampel-Koalition im November 2024 und einer Bundestagswahl, die weder CDU/CSU noch SPD mit Ruhm bekleckert hat, war klar: Die neue Regierung muss liefern. Doch statt eines mutigen Reformpakets haben wir einen Vertrag bekommen, der wie ein Flickenteppich wirkt – ambitioniert in der Sprache, vorsichtig in der Substanz und größtenteils an die ungewisse Finanzierung geknüpft.

Die Verhandlungen waren kein Zuckerschlecken. Laut Insidern stand die Koalition mehr als einmal auf der Kippe, besonders als die SPD Steuererhöhungen ins Spiel brachte und Merz drohte, die Gespräche platzen zu lassen. Am Ende einigten sich die Parteien – aber zu welchem Preis? Der Vertrag ist ein Kompromiss, der versucht, alle bei Laune zu halten: die Wirtschaft, die Wähler, die Europäer, sogar Donald Trump, an den Merz mit einem selbstbewussten „Germany is back on track“ ein Signal senden wollte. Doch mit einem Vertrag, der fast alles mit einem „eventuell“ versieht, bleibt fraglich, ob dieses Signal ankommt.








Migration: Strenge Töne, vage Pläne

Ein zentrales Thema des Vertrags ist die Migration – kein Wunder, angesichts der aufgeheizten Debatte und des Drucks von rechts. Die Koalition verspricht eine „Rückführungsoffensive“ und Zurückweisungen an den Grenzen, auch bei Asylgesuchen, natürlich „in Abstimmung mit europäischen Nachbarn“. Klingt nach harter Linie, doch wer genau hinschaut, merkt: Das ist mehr Show als Plan. Wie sollen Polen, Tschechien oder Österreich überzeugt werden, wenn die EU schon jetzt bei Migrationsfragen zerstritten ist? Und wie will man Abschiebungen „steigern“, wenn Herkunftsländer weiterhin nicht kooperieren? Der Vertrag bleibt vage, spricht von „Visa-Vergabe“ und „Entwicklungszusammenarbeit“ als Druckmittel, ohne konkrete Schritte zu nennen – und selbst das steht unter Finanzierungsvorbehalt, was die Umsetzung noch fragiler macht.

Dass selbst Angela Merkel den „härteren Asylkurs“ unterstützt, aber Unterschiede in „Diktion und Tonalität“ betont, zeigt: Hier wird mit Symbolpolitik gearbeitet. Die Koalition will entschlossen wirken, um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen – ein Ziel, das Merz offen nennt. Doch ob das gelingt, wenn die Umsetzung im Bürokratie-Dschungel steckenbleibt und die Gelder fehlen, ist zweifelhaft. Die Wähler, die klare Lösungen fordern, könnten enttäuscht werden, wenn die „Offensive“ ein bloßes „Eventuell“ bleibt.

Wirtschaft: Versprechen ohne Garantie

Auf wirtschaftlichem Terrain will die Koalition punkten – und scheitert schon an der Klarheit. Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen? Geplant, aber erst „zur Mitte der Legislatur“, also in zwei Jahren, und selbst das ist nicht fix, sondern hängt an der Finanzierung. Merz hat öffentlich widersprochen, als SPD-Chef Klingbeil die Senkungen als gesetzt darstellte. „Haben wir nicht so verabredet“, sagte der CDU-Chef kühl. Ein peinlicher Moment, der zeigt, wie wacklig die Einigkeit ist.

Für Unternehmen gibt es Turbo-Abschreibungen und einen „Investitionsbooster“, aber auch hier fehlen Details – und die Finanzierung. Die Körperschaftssteuer soll sinken, die Stromsteuer auf das europäische Minimum. Doch wer bezahlt das alles? Der Vertrag steht unter Finanzierungsvorbehalt, und genau das ist das Problem. Ohne Steuererhöhungen – die Merz kategorisch ausschließt – bleibt unklar, wie die großen Versprechen finanziert werden sollen. Die Wirtschaft, die nach Planbarkeit schreit, bekommt stattdessen ein „Wir schauen mal“, das durch den Vorbehalt noch unsicherer wird.

Die Abschaffung des Lieferkettengesetzes und des Heizungsgesetzes wird als Bürokratieabbau gefeiert, doch Kritiker warnen: Das könnte Umweltstandards und soziale Verantwortung untergraben. Die Koalition scheint hier den Unternehmen zu huldigen, während die Klimaziele – immer noch Klimaneutralität bis 2045 – in der Schwebe bleiben. Auch hier: Alles nur ein „Eventuell“, solange die Finanzen nicht geklärt sind.

Sozialpolitik: Mindestlohn-Streit und Mutterrente

Die SPD hat ihren Stempel auf die Sozialpolitik gedrückt – zumindest auf dem Papier. Ein Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 wird angekündigt, doch Merz und CDU-Mann Jens Spahn rudern zurück: Die Mindestlohnkommission soll entscheiden, kein Automatismus. Die SPD betont, die Lohnuntergrenze sei kein gesetzlicher Zwang. Das klingt nach Freiheit, ist aber ein Eingeständnis: Die Koalition traut sich nicht, klare Kante zu zeigen – und mit dem Finanzierungsvorbehalt bleibt selbst dieser Plan ein „Eventuell“. Ähnlich schwammig bleibt die Mütterrente, ein CSU-Lieblingsprojekt. Während CSU-Vize Dorothee Bär betont, „die Mütterrente kommt, ganz sicher“, bremst die SPD: Das sei noch nicht ausverhandelt. Ein weiterer Punkt, bei dem die Koalition schon jetzt Uneinigkeit demonstriert.

BAföG-Erhöhungen, Elterngeld-Anpassungen und die Verlängerung des Deutschlandtickets klingen nett, aber auch hier fehlt die Finanzierung. Der Vorbehalt macht klar: Das sind keine Garantien, sondern Wünsche. Die Sozialreform soll eine Kommission bis Ende 2025 klären – ein weiteres Zeichen, dass die Koalition Probleme lieber vor sich herschiebt, als sie anzupacken.

Sicherheit und Außenpolitik: Große Worte, kleine Schritte

In der Sicherheitspolitik will die Koalition die Bundeswehr bis 2029 „kriegstüchtig“ machen – ein ehrgeiziges Ziel, angesichts der chronischen Unterfinanzierung. Ein neues Wehrdienstmodell wird angekündigt, bleibt aber nebulös. Freiwilligkeit oder doch Pflicht? Die Debatte ist offen, und Militärexperten zweifeln bereits an der Machbarkeit, zumal die Finanzierung – wie fast alles – nicht gesichert ist.

International setzt die Koalition auf Kontinuität: Unterstützung für die Ukraine, ein „starkes Europa“, mehr humanitäre Hilfe. Doch wie das in Zeiten von Trump’schen Zoll-Drohungen und globalen Unsicherheiten umgesetzt werden soll, bleibt unklar – und finanziell ein großes Fragezeichen. Merz’ Botschaft an Trump mag selbstbewusst klingen, doch ob Deutschland wirklich „back on track“ ist, wird sich erst zeigen, wenn die USA Ernst machen.

Klimawandel: Anpassung statt Ambition

Beim Klimaschutz bleibt die Koalition vorsichtig. Die „Anpassung an den Klimawandel“ wird betont – ein Eingeständnis, dass die großen Würfe ausbleiben. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird erwähnt, aber ohne konkrete Zahlen oder Fristen, und die Finanzierung bleibt offen. Das Heizungsgesetz wird gekippt, was Umweltverbände auf die Barrikaden bringt. Die Koalition scheint hier den Spagat zwischen Wirtschaft und Ökologie zu scheuen – und entscheidet sich für den Status quo, solange die Kassen leer sind.

Gesellschaft: Symbolik statt Substanz – mit digitaler ID und Bürgerkonto

Auch in der Gesellschaftspolitik bleibt vieles vage. Eine Enquete-Kommission soll die Corona-Pandemie aufarbeiten – ein Zugeständnis an die Kritiker der Maßnahmen, aber kaum ein Gamechanger. Die Legalisierung von Cannabis wird „ergebnisoffen“ überprüft, was nach Rückschritt riecht. Neu im Vertrag ist die Einführung einer digitalen ID und eines Bürgerkontos, die als Schritte hin zu einer modernen Verwaltung gefeiert werden. Die digitale ID soll Behördengänge vereinfachen, von der Steuererklärung bis zur Kfz-Zulassung, und mit europäischen Standards kompatibel sein. Das Bürgerkonto soll als zentrale Plattform dienen, über die Bürger auf alle staatlichen Dienstleistungen zugreifen können – von Sozialleistungen bis hin zu Wahlanträgen.

Doch auch hier bleibt die Koalition vorsichtig vorsichtig. Die Umsetzung der digitalen ID ist mit „technischen und datenschutzrechtlichen Herausforderungen“ verknüpft, und ein Starttermin bleibt unklar. Kritiker, darunter Datenschützer, warnen vor einem „gläsernen Bürger“ und monieren, dass die Finanzierung – wie so oft – nicht gesichert ist. Das Bürgerkonto wird als „Pilotprojekt“ bis 2027 angekündigt, was den Eindruck verstärkt, dass die Koalition zwar digital punkten will, aber konkrete Ergebnisse in die Ferne rückt – ein weiteres „Eventuell“ im Finanzierungsvorbehalt. Inklusion, Gleichberechtigung, Antisemitismus-Bekämpfung – alles findet Erwähnung, aber ohne konkrete Maßnahmen. Es wirkt, als wolle die Koalition alle Themen abdecken, ohne sich festzulegen.

Der Zeitplan: Schnell, aber stabil?

Die Koalition will Tempo machen. Die CSU hat dem Vertrag bereits zugestimmt, die CDU entscheidet am 28. April, die SPD fragt bis Ende April ihre 360.000 Mitglieder. Merz plant, sich am 6. oder 7. Mai zum Kanzler wählen zu lassen. Ein ambitionierter Zeitplan, der Stabilität suggerieren soll. Doch die Uneinigkeit bei zentralen Themen wie Mindestlohn, Steuersenkungen oder der digitalen Infrastruktur, gepaart mit dem allgegenwärtigen Finanzierungsvorbehalt, lässt Zweifel aufkommen: Hält dieser Kompromiss, wenn die ersten Krisen kommen?

Fazit: Mut fehlt, Misstrauen bleibt

Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist ein Dokument der Vorsicht – und der Vorbehalte. Er verspricht viel – von Wirtschaftsaufschwung über Migrationskontrolle bis hin zu digitaler Modernisierung –, liefert aber wenig Konkretes. Der Großteil der Pläne steht unter Finanzierungsvorbehalt, was die großen Worte zu einem bloßen „Eventuell“ degradiert. Die Uneinigkeit zwischen Merz und Klingbeil, die vagen Finanzierungspläne und die Neigung, Probleme an Kommissionen zu delegieren, zeigen: Diese Koalition traut sich wenig zu. Für ein Land, das nach Führung lechzt, ist das enttäuschend.

Die große Frage bleibt: Kann Friedrich Merz als Kanzler die Spaltung überwinden, die Wirtschaft beleben, die AfD eindämmen und die Digitalisierung vorantreiben? Der Vertrag gibt darauf keine klare Antwort – und mit dem Finanzierungsvorbehalt bleibt fast alles im Ungewissen. Stattdessen wirkt er wie ein Versuch, alle zufrieden zu stellen – und riskiert, niemanden zu überzeugen. Deutschland verdient mehr als einen Kompromiss, der nach Bürokratie und „vielleicht“ riecht. Es braucht Mut, Visionen, Klarheit. Bislang bleibt Schwarz-Rot weit davon entfernt.

Quelle:
Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD

JTB

Von JTB

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